Interview HR & KI – Daniel „DataDan“ Mühlbauer

Ein Herz für HR und Daten.

Ein Herz für HR und Daten – das schlägt in der Brust von Daniel „DataDan“ Mühlbauer. Er arbeitet als Experte für People Technology in einem global agierenden Konzern. Seine Leidenschaft gilt der Kombination aus Datenanalysen, künstlicher Intelligenz und digitalen Tools zur Wegbereitung in die Zukunft der Arbeit und des People Managements.

 

 

Daniel Mühlbauer (DataDan)
Speaker, Creator, Impactor

Copyright Foto: JaninaLaszlo.com

Wer als „Data Dan“ bekannt ist, hat eindeutig ein Faible für Zahlen, Daten, Fakten …

„Daten sind für mich das zusammenhaltende Element zwischen all den verschiedenen Fragestellungen, die wir im HR-Bereich und in jedem anderen Unternehmensbereich haben. Daten sind der gemeinsame Nenner hinter allen Dingen, die wir tun. 

Entscheidungen werden immer mithilfe von Daten getroffen.  Alle Informationen, die man bewusst oder unbewusst für Entscheidungen nutzt, basieren auf Daten – zum Beispiel wen man im Recruiting auswählt oder wer eine Beförderung erhält. Die genutzten Daten sind allerdings nicht immer bewusst gesammelt, repräsentativ oder eine Folge eines standardisierten Prozesses, sondern sie sind manchmal schlichtweg gesammelte Erfahrungen in unseren Köpfen. Das Problem dabei: Wenn man selektive, verzerrte Daten nutzt, dann trifft man nicht die besten Entscheidungen.“

Welche Frage wurde dir in diesem Kontext bisher am häufigsten gestellt?

„ ‚Wie macht man das eigentlich mit diesen Daten – und ist das richtig, wie wir das machen?‘, werde ich unheimlich oft von HR Manager*innen gefragt. Dabei gibt es da nicht die eine Lösung. Ich habe das Gefühl, dass das Datenthema nicht unbedingt zur DNA eines typischen HRlers gehört und oft eine Unsicherheit im Umgang mit Daten da ist. Und die zweite Frage ist die nach konkreten Use Cases: ‚Welche Fragen kann man denn mit Daten beantworten?‘ Meine Antwort: Alle – aber es müssen die richtigen Daten sein.“

Worauf sollte sich HR mehr konzentrieren – auf die Menschen oder auf People Analytics?

„Das sind für mich keine zwei unterschiedlichen Dinge. Wer Menschen verstehen möchte, muss Motive, Präferenzen, Vorlieben und Abneigungen von Menschen verstehen. Die Frage nach dem ‚Warum‘ ist eine der wichtigsten Fragen. Wenn beispielsweise Menschen das Unternehmen verlassen, muss ich verstehen, warum sie das tun, damit nicht noch mehr gehen. Ich muss mich mit Daten beschäftigen, um mich sinnvoll mit Menschen beschäftigen zu können. Alles andere ist Glaskugel und Raten – und dann wären wir in der Unternehmensastrologie statt in People Analytics.“

Was hindert Unternehmen, Entscheidungen auf Basis der richtigen Daten zu treffen?

„Kompetenz und das Nicht-Vorhandensein der richtigen Daten. Vielen ist nicht bewusst, dass die Daten, die sie brauchen, in den Prozessen entstehen, die sie gestalten. HR-Prozesse sind oft so definiert, dass die notwendigen Daten gar nicht erfasst werden können.

Ein Beispiel: ein Bewerbungsprozess, bei dem – aus völlig verständlichen Gründen – das Geschlecht der Person nicht abgefragt wird. Später soll allerdings analysiert werden, über welchen Bewerbungskanal mehr Frauen für bestimmte Positionen angesprochen werden können. Das kann man dann vergessen. Und wenn ich dann nur bei den eingestellten Kandidatinnen statt bei allen Bewerberinnen schaue, über welchen Kanal sie sich beworben haben, habe ich einen Positivitätsbias in meiner Auswertung – meine Analyse ist verzerrt.“

(Wie) kann künstliche Intelligenz hier weiterhelfen?

„Die Unternehmen, die vor zehn Jahren begriffen haben, wie wichtig Daten sind, können heute KI-Modelle sinnvoll nutzen. Alle anderen müssen erst mal Daten aufbauen. Ohne die richtigen Daten kann man KI-Modelle nicht auf den eigenen Unternehmenskontext trainieren.

Klar, wenn ich eine vortrainierte KI nutze, werde ich Antworten bekommen – etwa beim Matching im Recruiting. Das heißt aber nicht, dass dies auf das Unternehmen angepasste Antworten sind. Solange man Daten nicht sauber sammelt, aufsetzt und archiviert, um eine KI zu trainieren, wird es immer gewisse Begrenzungen geben.

KI kann aber synthetische Daten erzeugen. Sie entwickelt dann etwa auf Basis von Strukturmerkmalen meines Unternehmens synthetische Daten, mit denen ich KI-Modelle trainieren kann. Das sind keine echten Daten, aber auf mein Unternehmen angepasste, hypothetische Daten.“

Oft liest man, dass KI-Tools „nur“ einzelne Prozesse unterstützen oder übernehmen. Liegt das Potenzial dann in der cleveren Kombination der richtigen Tools?

„Absolut! Stand heute und wahrscheinlich auch der nächsten drei, vier, fünf Jahre gibt es selbst unter den mächtigsten KI-Tools keins, das auf der Job-Ebene ansetzen wird – sondern immer auf der Aufgaben-Ebene. Sie sind immer darauf trainiert, bestimmte Aufgaben zu übernehmen.

Menschliche Intelligenz kann Dinge mit wenigen Versuchen erlernen. Ein Mensch braucht extrem wenige Fahrstunden, um so etwas Komplexes wie Autofahren zu erlernen. Wenn man an autonomes Fahren denkt, bräuchte ein KI-Modell vermutlich Trilliarden von Datenpunkten.

Wenn ein Bündel von KI-Modellen, die alle einzelne Aufgaben erledigen, zusammen 80 oder 90 Prozent eines Jobs übernehmen kann, dann kann auch ein Job durch KI ersetzt werden. Daher ist es aus Firmensicht wichtig, sich mit der richtigen Kombination von KI-Tools zu beschäftigen.“

Für jeden HR-Prozess das passende KI-Tool – wofür braucht es dann die Menschen in der HR-Abteilung?

„Die wirkliche Revolution beginnt dort, wo man sich nicht nur mit dem Mix der richtigen KI-Tools auseinandersetzt, sondern mit deren Kombination mit der menschlichen Intelligenz. Personalprozesse sind extrem komplex. Gerade im Recruiting ist es sinnvoll, an bestimmten Stellen KI-Tools zu nutzen. Dann gibt es aber auch Aufgaben, bei denen man ganz bewusst auf Mensch-zu-Mensch-Kommunikation setzt, etwa um Wertschätzung zu zeigen oder um gewisse Nuancen rauszuhören. Wenn ‚Tech Points‘ und ‚Touch Points‘, wie ich sie gern nenne, so ineinandergreifen, dass wirklich flüssige Prozesse entstehen – das ist die Königsdisziplin.“

Was muss ein*e HR Manager*in können, heute und in Zukunft?

„Erstens: Es braucht mindestens eine Basiskompetenz im Bereich Daten und Künstliche Intelligenz. Zweitens: Antworten auf die Frage, was einen im Vergleich zur Maschine auszeichnet. Drittens: Weiterbildung in genau diesem Bereich.

Wenn wir davon ausgehen, dass wirklich empfundene Empathie etwas ist, was Maschinen auf hunderte von Jahren nur imitieren können, solange wir Menschen keine Maschinen entwickeln, die echte Gefühle fühlen, dann muss ich mich als HR Manager*in damit befassen: Was ist meine Rolle als menschliches Element? Was ist mein USP? Warum bin ich hier wertvoll? Und genau das muss ich stärken!

Was in der generativen KI-Revolution wichtig ist: Diese Modelle funktionieren über Sprache. Es braucht Prompting-Expertise: Wie formuliere ich eine Eingabeaufforderung, damit diese Maschine genau das tut, was ich will, und sich nicht etwas ausdenkt, nur weil ich ungenau war?“

Irgendwo fängt jede*r einmal an. Wie können sich Unternehmen an den Einsatz von Künstlicher Intelligenz herantasten? Wie legt man am besten los?

„Fang mit den größten Kostentreibern oder größten Gewinntreibern an: dort, wo das Geld reinkommt, und dort, wo Geld verprasst wird. Bei HR sind das oft die zeitintensiven Prozesse, die großen Prozesse, die viele Menschen berühren – typischerweise das Recruiting. Bei Industrieunternehmen ist es das Thema Bandstillstand in der Produktion. Also immer dem Geld folgen, dann den Prozess anschauen und sauber aufsetzen, aus diesem Daten gewinnen und daraus ganz konkret die Ansatzpunkte für den Einsatz von KI definieren.

Wenn es darum geht, sich zu trauen mit KI zu starten: Als Unternehmen muss ich eine sichere Umgebung schaffen, in der Menschen keine Angst haben, Fehler zu machen mit diesen Tools. Unternehmen könnten eine Sandbox aufsetzen, in der man sich ausprobieren darf, etwa mit hypothetischen Daten – begleitet von Menschen, die viel Ahnung von Statistik und KI haben. 

Für die Nutzung generativer KI helfen klare Richtlinie, etwa wie die Mitarbeitenden ChatGPT einsetzen dürfen. Dass man keine personenbezogenen Daten hochlädt, wenn es nicht auf der eigenen Unternehmensinstanz läuft. Oder dass man ein unternehmenseigenes ChatGPT hinter sichereren Schranken anbietet. Das ist technisch machbar und es gibt Sicherheit, dass man jetzt loslegen darf. Viele warten noch – gerade im HR-Bereich, in dem man Jahrzehntelang gesagt bekommen hat, was man machen soll. KI kann man nur lernen, wenn man es tut. Also: Ausprobieren, ausprobieren, ausprobieren, sich Test-Accounts geben lassen uns sich mit hypothetischen Daten austoben!“

Gibt es Unterschiede beim Umgang mit KI und deren Akzeptanz – etwa mit Blick auf die Unternehmensgröße?

„KI-Modelle sind oft sehr datenhungrig. Wenn man etwas Unternehmensspezifisches haben will, muss man schon ein großes Unternehmen sein und viele Daten haben. Wenn die Datensätze zu klein sind, sind die statistischen Kennzahlen nicht valide. Und somit kann ein kleines Unternehmen bestimmte Analysen einfach nicht machen. Aber wenn man nicht so etwas Spezifisches braucht, etwa ein Bewerbungsmatching-Tool, kann ich auch als 20-Personen-Unternehmen mit einer vortrainierten Lösung sehr gut arbeiten. Ob das dann Geld spart und es die KI wirklich braucht, ist allerdings die nächste Frage.

Automatisierung mittels KI kann wiederum sehr viel bringen. Wenn man eine KI hat, die automatisiert, wird ein Unternehmen unabhängig seiner Größe Geld sparen, solange die KI das korrekt macht. Ich denke da zum Beispiel an eine KI, die automatisch die verschiedenen Personaldokumente dem richtigen Ordner in der Digitalen Personalakte zuweist.“

Zum Schluss: Glaskugel statt Hard Facts. Was wird KI in fünf Jahren in jedem Unternehmen übernehmen? Und was werden auch in zehn Jahren noch Menschen machen?

„Ich hoffe, dass KI die Aufgaben übernimmt, die langweilig und extrem repetitiv sind. Aufgaben, unter denen Menschen wirklich leiden und mit denen sie sichtlich unglücklich sind. Ebenso Jobs, die sehr gefährlich sind oder ein hohes Gesundheitsrisiko bergen. Ich fände es nicht gut, wenn die KI Aufgaben erledigt, an denen Menschen Spaß haben, die einen erfüllen.

Die Pflege – einer der härtesten Jobs – ist ein gutes Beispiel. Wenn eine KI unterstützen kann, einen bettlägerigen Menschen zu lagern, wenn körperlich anstrengende und belastende Elemente von Maschinen übernommen werden und dadurch Zeit da ist, dass eine Pflegekraft am Abend eine Geschichte vorlesen kann oder einer dementen Person jeden Abend bei der gleichen Erzählung zuhören kann, das finde ich eine schöne Vorstellung.

Ich hoffe, dass uns eine Zusammenarbeit mit Maschinen dahin bringt, dass wir das Zwischenmenschliche wieder besser erlernen. Denn das ist das, was die KI nicht kann – und das ist unser Heilmittel mit Blick auf die Frage, ob wir in zehn Jahren noch Arbeit haben. Wenn wir dadurch alle wieder ein Stück empathischer werden, habe ich die hehre Hoffnung, dass das unsere Gesellschaft in eine gute Richtung bringt.“

Vielen Dank für das spannende Interview, lieber Data Dan!

 

Mehr über Data Dan gibt es hier: www.hr-datenliebe.de

Copyright Foto Daniel Mühlbauer: JaninaLaszlo.com

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