Barrierefreiheitsstärkungsgesetz

Was wird Pflicht für HR?

Das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz verpflichtet private Unternehmen, all ihre Produkte, Angebote und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. Hier gibt es einige To-dos für Personalabteilungen – und das betrifft nicht nur die barrierefreie Website.

Dieses Gesetz dürfte in vielen Unternehmen für Wirbel sorgen: Am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Es setzt die EU-Richtlinie 2019/882, den European Accessibility Act (EAA) von 2019 (!) in deutsches Recht um und hat das Ziel, Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Websites und digitale Angebote von Behörden und öffentlichen Einrichtungen müssen laut EAA schon lange barrierefrei gestaltet sein, (fast) alle weiteren Unternehmen müssen ab Ende Juni nachziehen. 


Wie weit das BFSG greift

Die EU-Vorgabe verfolgt das Ziel, Inklusion zu fördern und die Zugänglichkeit zu Produkten oder Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen zu erhöhen. Das BFSG versteht darunter Personen, die länger als sechs Monate körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben. Diese können sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern.
Diese Hindernisse sollen nun abgebaut werden: Alle Produkte, die nach dem 28. Juni 2025 auf den Markt gebracht werden, und Dienstleitungen, die nach diesem Zeitpunkt erbracht werden, dürfen Menschen mit Behinderungen nicht ausschließen. Für Produkte und Dienstleistungen, die vor diesem Stichtag auf dem Markt sind, gilt eine Übergangsfrist bis zum Jahr 2030. 


Davon sind ganz unterschiedliche Dienstleistungen und Produkte betroffen, zum Beispiel Hardwaresysteme und technische Geräte genauso wie elektronische Kommunikationsdienste und Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr. Was all das mit HR zu tun hat? Zum einen kommt HR die Aufgabe zu, Beschäftigte über das Thema aufzuklären und sie zu sensibilisieren, zum anderen sind auch die Angebote und Kanäle der HR-Teams selbst betroffen: Recruiting-Plattformen, Karrierewebsites und Stellenausschreibungen müssen den Kriterien der Barrierefreiheit entsprechen, sonst drohen Bußgelder. Dafür wird die Marktüberwachungsbehörde stichprobenmäßig Kontrollen durchführen. Kommt hierbei ein Verstoß gegen das BFSG ans Licht, hat das Unternehmen die Möglichkeit, die Barrierefreiheit nachträglich herzustellen. Passiert das nicht, kann ein Bußgeld bis zu 100.000 Euro fällig werden. Wer selbst bei einem Unternehmen einen Verstoß gegen das BFSG feststellt, kann das auch selbst bei der Marktüberwachungsbehörde melden – es ist also in jedem Fall ratsam, die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen. 


Was bedeutet Barrierefreiheit im Recruiting? 

Alle digitalen Angebote und Kommunikationswege eines Unternehmens müssen künftig so gestaltet sein, dass sämtliche Inhalte und Funktionen von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen problemlos genutzt werden können. Das umfasst sowohl die technische als auch die inhaltliche Gestaltung. 


Die „sichtbarsten“ Angebot im Bereich sind vor allem die Karrierewebsites oder Stellenausschreibungen. Sie könnten barrierefrei so aussehen:

• Websites müssen mit Assistenz-Technologien wie Screenreadern kompatibel sein. 
• Alle Funktionen müssen vollständig über die Tastatur bedienbar sein. 
• Es ist wichtig, anpassbare Schriftgrößen zu verwenden und auf ausreichende Kontraste zu setzen. 
• Die Sprache muss leicht verständlich sein, klare Überschriften und eine logische Gliederung. 
• Bilder und Grafiken müssen Alternativtexte haben (diese können von Screenreadern vorgelesen werden). 
• Videos benötigen Untertitel und Audioinhalte ein Transkript. 
• Alle Inhalte müssen in responsivem Design sein, sodass sie auf verschiedenen Bildschirmgrößen funktionieren. 
• Keine flackernde oder blinkende Inhalte, um Personen mit neurologischen Beeinträchtigungen nicht zu gefährden. 


Was HR-Teams jetzt unternehmen sollten

Die meisten Anpassungen sind technischer Natur – jedoch sollten die Personen, die für die jeweiligen Inhalte verantwortlich sind, die notwendigen Änderungen im Blick haben. Für HR-Teams kommt es nun darauf an, die eigenen Angebote und Kommunikationskanäle zu checken und festzuhalten, wo möglicherweise Verstöße gegen das BFSG vorliegen. Inhaltliche Anpassungen (zum Beispiel leichtere Sprache, deutlichere Gliederung von Texten) können Sie wahrscheinlich selbst ausführen, bei technischen Aufgaben müssten Sie das IT-Team oder Ihre Website-Agentur beauftragen. 

Ein weiterer Schritt ist die Prüfung, ob der Recruiting-Prozess als Ganzes barrierefrei gestaltet ist, ob Mailverkehr, Online-Job-Interview oder barrierefreier Gebäudezugang, etwa zum Vorstellungsgespräch. Wichtig ist, dass Sie alle Beschäftigten, die mit der Formulierung, Gestaltung und technischen Umsetzung von betroffenen Angeboten und Produkten zu tun haben, über die Anforderungen des BFSG informieren. Und auch die internen Kommunikationskanäle – Intranet, Messenger-Dienste usw. – gehören auf den Prüfstand: Denn auch hier müssen die Prozesse und Inhalte in Zukunft barrierefrei gestaltet werden, um eine größtmögliche Inklusion innerhalb des Unternehmens zu fördern. 


Ausnahmen vom BFSG

Grundsätzlich müssen alle Unternehmen den Vorgaben des neuen Gesetzes nachkommen. Ausnahmen bilden Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen erbringen und keine Produkte anbieten. Als Kleinstunternehmen gelten Unternehmen, die weniger als zehn Beschäftigte haben und einen Jahresumsatz von maximal zwei Millionen Euro erzielen oder eine maximale Jahresbilanzsumme von zwei Millionen Euro haben. Größere Unternehmen oder Kleinstunternehmen, die Produkte anbieten, können trotzdem versuchen, vom BFSG ausgenommen zu werden. Das ist möglich, wenn die barrierefreie Gestaltung eine unverhältnismäßige Belastung darstellt. Dafür müssen die Unternehmen selbst eine Beurteilung vornehmen, um die Unverhältnismäßigkeit zu beweisen, und sie müssen die Marktbewachungsbehörde aktiv darüber informieren. 


Herausforderungen und Chancen durch das BFSG 

Angesichts der ohnehin schon langen To-do-Listen in Personalabteilungen bedeutet das BFSG eine weitere zusätzliche Aufgabe, wenn auch eine sicher sinnvolle. Die Umsetzung aller Vorgaben und die Gestaltung jeglicher Inhalte unter den Aspekten der Barrierefreiheit ist vielleicht eine Herausforderung, doch wenn die neuen Anforderungen einmal verinnerlicht und eingerichtet sind, ist der größte Schritt geschafft. 
Dabei hilft auch die Einstellung, dass es bei der Einhaltung des neuen Gesetzes nicht in erster Linie darum geht, Bußgelder zu vermeiden, sondern darum, aktiv einen Beitrag zu mehr Inklusion in der Gesellschaft zu leisten. Schließlich können auch Sie als Unternehmen von einer barrierefreien Gestaltung aller Inhalte und Angebote profitieren: So wächst die eigene Reichweite, weil Sie auch Menschen erreichen, die Ihre Inhalte bislang vielleicht nicht konsumieren konnten. Und überhaupt steigt ganz allgemein die Usability der bereitgestellten Angebote, da eine barrierefreie Website ja von allen Menschen einfacher und intuitiver zu bedienen ist. 


Ein letzter, aber nicht ganz unwichtiger Punkt: Die barrierefreie Gestaltung einer Website steigert „nebenbei“ ihre Auffindbarkeit bei Google und Co. Denn einige der erwähnten Aspekte sind auch klassische SEO-Maßnahmen, um die eigenen Suchergebnisse zu verbessern. So ist die Umsetzung der Anforderungen in mehrfacher Hinsicht ein Gewinn. Also: Machen Sie sich am besten gleich auf den Weg, um möglichst schon am BFSG-Stichtag barrierefrei unterwegs zu sein.


Quellen:
https://bfsg-gesetz.de/
https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz.html
https://www.ihk.de/karlsruhe/fachthemen/recht/internetrecht/fallback1433495812828/bfsg-6348406?utm_
https://softgarden.com/de/magazin/blogartikel/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz-im-recruiting/
https://klardenker.kpmg.de/financialservices-hub/wichtiges-faq-zum-barrierefreiheitsstaerkungsgesetz-bfsg/

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