Von Active Sourcing bis Zusammen feiern: Wie finden Unternehmen heute neue Talente?
Ein Interview mit HR-Expertin Anneke Behrens
Die Pandemie hat vieles verändert – auch die Personalsuche, egal in welcher Branche. Im vorherrschenden Arbeitnehmer:innenmarkt ist der „War for Talents“ deutlich zu spüren. Aber was können Unternehmen tun, um die besten Talente für sich zu gewinnen? Eine Frage, mit der sich Anneke Behrens, Expertin für Recruiting und Personalentwicklung in der VRG Unternehmensgruppe jeden Tag aufs Neue beschäftigt.
Anneke Behrens
Expertin für Recruiting und Personalentwicklung
in der VRG Unternehmensgruppe
Anneke, was sind denn die typischen Herausforderungen, vor denen Personaler heute stehen?
„Da ist auf jeden Fall der Markt, der sich gewandelt hat, vom früheren Arbeitgeber- zum Arbeitnehmer:innenmarkt. Jedes Unternehmen ist nur noch eines von vielen im Kampf um die besten Talente. Das heißt auch: Als einzelnes Unternehmen muss ich mich schon deutlich abheben, um überhaupt auf mich aufmerksam zu machen und im nächsten Schritt neue Mitarbeiter:innen zu gewinnen. Bewerber:innen sollte von Anfang an ein gutes Gefühl vermittelt werden, und es gilt, authentische Einblicke in die Unternehmenskultur zu erlauben.
Aber auch das Halten guter Mitarbeiter:innen wird immer wichtiger, denn die werden ja auch permanent umworben. Ein Jobwechsel fällt vielen Mitarbeiter:innen immer leichter. Grund dafür ist die Prioritätenverschiebung, ausgelöst durch Umwelteinflüsse wie etwa die Pandemie oder die Verschiebung zwischen Beruf und Privatleben. Gleichzeitig ist das Arbeitgeberangebot deutlich gestiegen. Es gibt Berufe, bei denen zu 100% von zu Hause gearbeitet werden kann. Folglich erhöht sich der Radius durch die Standortunabhängigkeit. Unternehmen müssen ihre Mitarbeitenden also fördern und sie und ihre Bedürfnisse ernst nehmen.
Und wie hat sich das durch die Pandemie geändert? Ist Recruiting seit Corona anders?
„Eindeutig ‚Ja‘! Erster Punkt: Recruiting findet seit Corona vor allem online statt. Auf Unternehmens- wie auch auf Arbeitnehmer:innenseite mussten dafür alle Beteiligten erst einmal lernen, wie man Vorstellungsgespräche am besten online führt und gestaltet. Auch die Erstkontakte sehen anders aus: Es gibt kaum noch Messen, so dass Kandidat:innen für ein erstes Kennenlernen viel öfter das Telefon nutzen. Überhaupt finden insgesamt mehr Telefon- und Onlinegespräche statt. Zweitens: Das Recruiting ist schneller geworden. Wir sammeln nicht erst wochenlang Bewerbungen für eine vakante Stelle, sondern laden lieber kurzfristig zu Bewerbungsgesprächen ein, und das erwarten die Bewerber:innen auch.
Was noch auffällt ist, dass seit der Pandemie Soft Skills wieder mehr an Bedeutung gewinnen, also zum Beispiel die Fähigkeit, mit veränderten Bedingungen umgehen zu können. Außerdem haben sich die Ansprüche der Bewerber:innen an die Jobs selbst verändert, gesucht werden keine 0815-Jobs, sondern interessante Aufgaben mit eigenem Gestaltungsspielraum und ganz selbstverständlich die Möglichkeit von Remote Work. Das wird ganz oft als Voraussetzung genannt, und wer da nicht mitgeht, hat von Vornherein schon schlechtere Karten."
Was sind deiner Ansicht nach die wichtigsten „Trends“ im Recruiting?
„Gleichberechtigung, Work-Life-Balance, Diversity: Diese drei sind nicht mehr nur wünschenswert, sondern für Kandidat:innen eigentlich selbstverständlich. Bewerber:innen hinterfragen das Unternehmen und ihren Job auch viel mehr, sie schauen sich schon auf der Website um und fragen dann im Gespräch nach, ob das, was sie da oder in der Ausschreibung gelesen haben, tatsächlich so gelebt wird. Und es wird mehr verglichen, das ist ganz normal, wie beim Online-Shopping. Bewerber:innen schauen sich etwa auf Bewertungsportalen wie kununu um, da ist es wichtig, sich wirklich authentisch und transparent zu präsentieren, mit allen Ecken und Kanten. Wer zu dick aufträgt, wird schnell durchschaut!
Genauso relevant sind Themen wie Active Sourcing und Social Media Recruiting, gerade für die jüngeren Generationen. Denn es ist wichtig, auch die anzusprechen, die aktuell vielleicht nicht aktiv nach einem neuen Job suchen, dann heißt es, in Kontakt zu bleiben und sich so einen soliden Talentpool aufzubauen.
Überhaupt gewinnt das Thema Mitarbeiterbindung immer mehr an Bedeutung. Das wird zwar durch den Arbeitnehmer:innenmarkt immer schwieriger, aber eben auch immer wichtiger. Da müssen wir Personaler und Führungskräfte genau hinhören, sehr aufmerksam sein und zwischen den Zeilen lesen können, um Mitarbeiter:innen gar nicht erst zu verlieren.“
Wie hat die VRG Unternehmensgruppe auf diese Veränderungen reagiert? Was habt ihr getan, um gute Talente zu finden und zu halten?
„Für unsere Mitarbeitenden haben wir zum Beispiel einen elektronischen Entwicklungsplaner eingeführt. Das ist ein digitales Tool, das bei uns die klassischen Jahres- oder Feedbackgespräche abgelöst hat. Damit können wir jetzt viel besser als vorher ungenutzte Potenziale von Mitarbeiter:innen aufdecken und sie auch besser fördern.
Auch unseren Außenauftritt verändern wir immer wieder und haben auf unserer Website eine eher lockere „Wir über uns“-Seite eingerichtet. Dort gibt es authentische Einblicke in unsere Arbeit, aber die ‚VRG-ler“ feiern auch ausgesprochen gern zusammen, das ist schon so etwas wie Teil unserer Unternehmenskultur. Das zeigen wir auch in einigen Videos, was es gleich viel persönlicher macht. Dazu kommt natürlich so etwas wie das Tempo in Bewerbungsprozessen, das auch wir deutlich erhöht haben, es gibt Schnuppertagen für Interessent:innen, die uns besser kennenlernen wollen, und auch wir betreiben Active Sourcing und bleiben mit unseren Kandidat:innen in Kontakt.
Es geht uns da wie vielen anderen Unternehmen auch: Es gibt einfach nicht DIE eine Aktion, mit der wir auf einmal viel mehr Talente erreichen, das ist ein ständiger Prozess. Ganzheitlich betrachtet fühlen wir uns als Unternehmensgruppe für die Zukunft gut aufgestellt und arbeiten stetig daran, dass das so bleibt.“
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Sebastian Vornweg
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